Indikatoren professionell einstellen

Mai 3, 2016 11:26 am

[marker color=“#34aa6f“]Marktrauschen: Der Zufallsanteil jedes Marktes[/marker]

Jeder der sich mit der Technischen Analyse beschäftigt, der überlegt den Einsatz von Indikatoren. Indikatoren dienen der Filterung von Kursen. Daher sind sie eine mathematisch-gewollte Verzerrung des Kurses. Was viele Trader nicht wahr haben wollen: Als Derivat des Kurses können Indikatoren niemals ein Vorläufer sein. Für viele Börsianer wird es also immer ein verzweifeltes Streben auf der Suche nach dem Super-Indikator bleiben.
Innerhalb jedes Kursverlaufes gibt es wilde Zuckungen. Sie entstehen durch eine unendlich große Anzahl unterschiedlicher Motive der Marktteilnehmer. Einige Analysten bezeichnen die unsystematischen Bewegungen als „Marktrauschen“ des Kurses. Für den professionellen Trader ist das Rauschen ohne Wert. Es ist unmöglich, aus Zufallsbewegungen dauerhafte Gewinne zu erzielen. Wäre es doch möglich, dann unterliegen die Kurse keinem Zufall mehr.
Die Unterdrückung des Marktrauschens ist vermutlich der Grund, warum es so viele verschiedene Indikatoren gibt. Grundsätzlich möchte ein Analyst den ungetrübten Blick auf den Kurs. Er muss deshalb einen Nachteil vieler Indikatoren in Kauf nehmen. In den meisten Fällen enthält der Indikator nämlich eine Kursglättung. Unvermeidbar ist damit die Verlangsamung seiner Reaktionsschnelligkeit.

Kurse bewegen sich in Zyklen

Fragt man einen Mathematiker, wie er Börsenkurse bewerten würde. Dann würde er relativ schnell die DNA des Kurses erkennen. Es handelt sich um Zyklen mit unterschiedlicher Periodeneinstellung. Dabei überlagern sich die Kurven mehrfach. Das höchste Kursmomentum entsteht, wenn die Zyklen weitgehend in eine Richtung zeigen. In dieser Zeit beschleunigen die Kurse am meisten.
Zyklusüberlagerung
Bild 1: Überlagerung verschiedener Zyklen.
Sobald die Sinuskurven mehrheitlich in eine Richtung tendieren, gibt es die höchste Beschleunigung des Kurses. Die Pfeile im Chart deuten die Kursrichtung an.

Konzept des dominanten Zyklus

In den meisten Lehrbüchern wird über die Standardeinstellung eines Indikators gesprochen. Das führt manchmal zu einen Handelsgläubigkeit bei den Lesern, wenn anschließend jedes Signal zwanghaft umgesetzt wird. Die Vorgehensweise ist nicht zu empfehlen. Der Rhythmus des Marktes ist einem ständigen Prozess unterworfen. Gewinnen können Trader nur, wenn der Rhythmus ungefähr zur Indikatoreinstellung passt. Die beste Einstellung richtet sich nach dem „dominanten Zyklus“. Wie bereits erwähnt, gibt es zu jedem Zeitpunkt eine mehrfache Überlagerung von Zyklen. Der dominante Zyklus hat dabei den größten Einfluss auf die Kursbewegung.
Beim DAX schwankt der dominante Zyklus meistens zwischen 20 und 40 Perioden. Der Mittelwert beträgt ungefähr 30. Um die Hochs und Tiefs des Marktes mit einem Indikator zu treffen, muss der Zyklus halbiert werden. Wenn der Trader also mit einem RSI beim DAX arbeitet, und eine Periode von 15 einstellt, dann sollte er eine gute Standardeinstellung gewählt haben.
Zyklus halbieren
Bild 2: Um einen Indikator eine gute Perioden-Einstellung zu geben, wäre ein halber Zyklus ideal. Er ermöglicht es, am Tiefpunkt zu kaufen oder am Hochpunkt zu verkaufen.

Automatische Optimierung von Indikatoren

Trader mit systematischen Programmhandel optimieren von Zeit zu Zeit die Einstellung ihrer Indikatoren. Sie berechnen sie per Computer über einem Optimierungslauf. So passt sich das Handelssystem an die jeweilige Marktsituation an. Das Ziel bleibt immer die überdurchschnittliche Rendite.
Die Häufigkeit für eine Optimierung steht in Abhängigkeit zur Trading-Frequenz. Damit eine Optimierung Sinn macht, müssen genügend Kursdaten und Handelssignale zur Verfügung stehen. Die Anzahl der durchgeführten Trades (Ein- und Ausstieg) sollten mindestens 100 Stück betragen. Bei einer Optimierung geht es immer um statistische Sicherheit. Ist die Datengrundlage zu klein, dann steigen damit die Fehlerquellen.

Optimierung bei diskretionären Tradern

Eine Indikator-Optimierung sollten sich diskretionäre Trader gut überlegen. Vermutlich sind sie mit einer konstanten Einstellung besser bedient. Erfahrene Trader erkennen aus der Vergangenheit, wie der Indikator sich in der Zukunft verhalten müsste.
Ein Beispiel: Wenn der Trader einen RSI(14) benutzt, und er eine überverkaufte Situation angezeigt bekommt, weil der RSI unter die 30er-Grenzlinie tritt, dann ist es für den diskretionären Trader kein zwingendes Kaufsignal. Er schaut sich zunächst das Verhalten des Marktes in einer vergleichbaren Situation an. Wenn bei einer ähnlichen Situation der Markt erst bei einem RSI-Wert von 20 nach oben drehte, dann wird er dies in seine Entscheidung einbeziehen.

Der diskretionäre Trader ist ein erfahrener Handwerker

Nehmen wir einmal an, wir würden das Optimierungsproblem auf einen Handwerker (Tischler) übertragen. Der Tischler hat mehrere Hammer-Größen und unterschiedliche Nägel für verschiedenen Holzraten und Holzdicken. Bei der Auswahl würde er aus seiner Erfahrung heraus, niemals völlig falsch liegen. Es ist sein Knowhow, zu jedem Zeitpunkt eine halbwegs passende Hammergröße und Nägel für das Holz wählen zu können.
Bei einem mathematischen Optimierungslauf wäre es so, dass der Handwerker (wie ein Roboter) aus der Vergangenheit heraus, das ideale Hammergewicht zum Nagel und Holz berechnen würde. Das Ergebnis wäre ein optimierter Energieeinsatz und beste Treffergenauigkeit.
Daraus ergibt sich das Hauptproblem des automatisierten Tradings. Innerhalb der Märkte gibt es langsame und sprunghafte Veränderungen. Der erfahrene diskretionäre Trader findet sich mit langsamen und sprunghaften Marktänderungen zurecht. Er kann sich darauf einstellen. Dem System-Trader ist es nicht möglich, mit seinen Optimierungsläufen sprunghafte Veränderungen zu erzielen. Es geht nur über kleine Anpassungsschritte. Der System-Trader wird deshalb seine größten Drawdowns einfahren, wenn der Markt sich sprunghaft ändert. Doch in langsamen Märkten wird er mit höchster Präzision Gewinne einfahren können.

Psychologische Tipps beim Trading

Unabhängig von den Indikatoren erreichen sie noch mehr, wenn Sie Ihre Emotionen regulieren können. Unter den diskretionären Tradern gibt es seltene „Künstler“. Sie schaffen atemberaubende Renditen, weil sie den (un)möglichen Spagat hinbekommen, den Markt zu fühlen und emotionslos zu handeln.
Egal, ob Sie diskretionär oder systematisch Handeln. Versuchen Sie Ihre Emotionen auszuschalten. Am leichtesten ist dies mit dem Systemhandel umsetzbar. Es ist ein ungeheurer Wettbewerbsvorteil, weder bei Gewinnen noch Verlusten Emotionen einfließen zu lassen. Denken Sie nicht an den nächsten Trade, sondern an die nächsten 1000 Trades. Dann relativiert sich alles. Trading ist kein Rennen sondern eine unendliche Reise. Sie sind nicht in der Schule, wo Sie mit Fehlerlosigkeit Bestnoten erzielen müssen. Der nächste Trade ist nur eine Handlung, es kommen noch weitere 999. Laufen Sie Ihr eigenes Rennen, und halten Sie Ihr Risiko klein. Wenn Ihr Handelssystem inklusive Handelskosten einen Profitfaktor über 1 hat, dann werden die Gewinne nicht lange auf sich warten lassen.