Vom Leerverkauf zum Short-Squeeze

Oktober 31, 2017 8:00 am

Leerverkäufe gibt es auch in Deutschland

Die meisten Börsianer verbinden mit dem Börsenhandel einen klassischen Aktienhandel – und damit Long- Investments. Dabei wird leicht vergessen, dass es auch die andere Richtung gibt. Aktien und andere Basiswerte lassen sich nämlich in beide Richtungen handeln. Insbesondere Profis profitieren davon, dass sie in jeder Marktphase bessere Renditen erzeugen können, indem sie Long- und Short-Positionen eingehen.

Short-Positionen werden in Deutschland über Derivate umgesetzt

Sobald Sie davon überzeugt sind, dass eine Aktie fallen wird, gibt es unterschiedliche Wege, um davon zu profitieren. In Deutschland ist es üblich, Short-Positionen mit Hilfe über Derivate zu eröffnen. Das ist politisch so gewollt, denn an den deutschen Börsen sind Leerverkäufe von Aktien verboten. Die Gesetzgebung hat das vor Jahren einmal so entschieden, und glaubt damit einen theoretischen Crash abmildern zu können. Die politische Entscheidung war damals gut gemeint, aber sachlich falsch. Mehrfach wurde schon von Wirtschaftswissenschaftlern bewiesen, dass Märkte ohne Möglichkeit des Leerverkaufs eine höhere Abwärtsdynamik aufweisen.
Bemerkung: Einige Broker bieten trotzdem die Möglichkeit des Leerverkaufs an. Die leerverkaufte Position wird dabei nicht an eine deutsche Börse weitergeleitet, sondern intern verarbeitet.

Wie funktioniert der theoretische Leerverkauf?

Stellen Sie sich vor, Sie haben eine Aktienanalyse durchgeführt, und sind der Meinung, dass die Aktie fallen wird. Damit Sie eine Aktie leer verkaufen können, benötigen Sie einen Gegenspieler, den Sie normalerweise an der Börse finden. Der Gegenspieler besitzt diese Aktie in seinem Depot, und er leiht ihnen einen Teil seines Kontingents.
Die Aktien, die Sie von Ihrem Gegenspieler geliehen bekommen, verkaufen Sie dann sofort an der Börse. Nehmen wir an, Sie erzielen mit dem Verkauf 100 € pro Aktie. Sie erhalten durch den Verkauf den kompletten Wert auf Ihrem Konto. Wie prognostiziert, fällt nun der Kurs der Aktie auf 80 € zurück. Nun glauben Sie, dass es Zeit ist, Ihre Position zu schließen. Infolgedessen wollen Sie Ihre geliehenen Aktien wieder zurückgeben. Weil sie ja durch den Leerverkauf keine Aktien im Depot haben, müssen Sie die Aktien an der Börse neu einkaufen. Sie kaufen also die Aktien für 80 Euro wieder ein, und geben sie Ihren Gegenspieler zurück. Ihr Gewinn beträgt dann 20 € pro Aktie. Wie Sie sehen, ist ein Leerverkauf, eine gewöhnliche Transaktion, wie sie millionenfach in der Wirtschaftswelt passiert.
Das oben Beschriebene, ist nur der theoretische Ablauf eines Leerverkaufs. In der Praxis geht das noch sehr viel leichter. Wenn Sie zum Beispiel drei Future-Kontrakte an der Eurex leerverkaufen, dann sehen Sie das in einem Bruchteil einer Sekunde im Depot. Der entsprechende Kontrakt würde Ihnen mit der Zahl -3 im Depot angezeigt werden. Zum Schließen der Position kaufen Sie die 3 Kontrakte zurück, und Ihr Depot steht wieder auf Null (= flat).

Institutionelle Marktteilnehmer unternehmen ständig Leerverkäufe

An den deutschen Aktienbörsen ist der Leerverkauf verboten, was allerdings nicht bedeutet, dass institutionelle Marktteilnehmer keine Leerverkäufe durchführen. Für Broker und Banken ist der Leerverkauf ein normales Geschäft, welches sie täglich mehrfach durchführen. Der Leerverkauf findet zwischen den Brokern statt, oder man nutzt dafür Dark Pools. Ein Dark Pool ist ein virtueller Börsenhandelsplatz, der für die breite Öffentlichkeit nicht zugänglich ist. Nebenbei bemerkt, Dark Pools sind keine kleinen Nebenschauplätze. Der Anteil der Börsentransaktionen, zum Beispiel beim DAX, beträgt über 50 % des Börsenhandels. Dark Pools kommen immer dann zur Geltung, wenn sehr große Positionen gehandelt werden, und die Händler nicht an einer normalen Börse handeln wollen.
Um eine Short-Position einzugehen, muss der Privatmann den Umweg über Derivate gehen. So sind zum Beispiel CFDs, Short-Zertifikate oder Put-Optionsscheine ein gängiges Mittel. An den Terminbörsen, gibt es zusätzlich noch die Möglichkeit, über Futures oder Optionen Short-Position zu öffnen.

Short-Squeeze: Wenn der Trader einen Fehler macht

Im oberen Beispiel habe ich ihn die Funktion des Leerverkaufes erklärt. Im Fallbeispiel ging die Spekulation auf, und der Trader konnte einen Gewinn erzielen. Das ist natürlich nicht immer so, und Fehler machen alle Trader. Insbesondere bei Aktien gibt es immer wieder unerwartete News. Das fängt bei Ad hoc-Nachrichten an, und endet bei Übernahmegerüchten. Hierdurch entstehen sprunghaft Neubewertungen.
Nun kann man sich leicht vorstellen, wie sich der Trader mit einer Short-Position fühlen würde, wenn durch plötzliche News der Aktienkurs stark ansteigt. Er sieht dann, wie seine Position mit hoher Dynamik in die Verlustzone rennt. Leicht breitet sich Panik aus. Solche Gefühle sind normal, aber selten ein guter Ratgeber für das Trading.
Aus dieser Situation heraus, gibt es manchmal einen Short-Squeeze. Der Begriff deutet es an, es sind die Short-Positionierten, die ausgequetscht werden. Bei einem Short-Squeeze sind vornehmlich kurzfristige Trader betroffen.
Nach Erscheinen der News kaufen kurzfristige Trader die Aktie, und der Kurs steigt an. Weil der Kurs schnell ansteigt, kommen die Shorties in Panik, und wollen aus ihrer Position heraus. Dazu müssen sie ebenfalls kaufen, was zu einer zusätzlichen Beschleunigung des Kurses führt.
Auch im Chart kann man einige Short-Squeezes erkennen. Es sind oft schnelle Kursbewegungen mit abflachenden Handelsvolumen im weiteren Kursfortschritt. Das relativ geringe Handelsvolumen erscheint, weil mittel- und langfristige Börsianer nicht aktiv sind. Ein echter Short-Squeeze kann deshalb keine nachhaltige Bewegung erzeugen.
Short-Squeeze bei der Bayer-Aktie
Bild: Bayer-Aktie im Tages-Chart
Im oberen Chart habe ich Ihnen ein Beispiel mit der Bayer Aktie dargestellt. Zwischen Mitte Juni und Mitte August gab es eine markante Abwärtswelle. Sie ist so stark, dass viele Marktteilnehmer mit einer zweiten Abwärtswelle gerechnet haben. Nachdem am 17. August ein Tiefpunkt erzeugt wurde, konsolidierte der Markt und der Kurs stieg leicht an. Vermutlich waren an dieser Stelle besonders technische Trader engagiert, denn bei 113 € gibt es einen wichtigen Widerstand. Die Trader haben nicht damit gerechnet, dass der Widerstand durchdrungen werden könnte. Zwischen 110 und 113 Euro ergibt sich ein guter Einstiegspunkt für Short-Positionen. Ein starker Volumen Anstieg ist kurzfristig erkennbar (15.09.17). Danach warteten die Shorties auf die nächste Abwärtswelle. Völlig überraschend vollzog der Gesamtmarkt dann am 29.09.17 eine weitere Aufwärtsbewegung. Das führte zum panikartigen Schließen der Short-Positionen, und der Markt stieg weiter an. Wer den Kursverlauf anhand des OBV studiert hätte, der sieht eine Aufwärtsbewegung ohne Substanz. Deshalb brach die Aktie am 16. Oktober erneut ein.

Der psychologische Druck ist mit Derivate höher

Privatleute können zwar an den deutschen Börsen keine Leerverkaufsposition eingehen. Da sie den Umweg über Derivate gehen, kommen sie in die gleiche emotionale Drucksituation wie typische Leerverkäufer. Manchmal ist der Druck sogar noch höher, weil Derivate einen zusätzlichen Kurshebel enthalten.
Einen Vorteil für Privatanleger gibt es schon. Es ist nämlich die Begrenzung des Risikos. Im Gegensatz zum Leerverkauf, wo das Verlustrisiko unbegrenzt ist, kann der Trader mit seinem Derivat lediglich das eingesetzte Geld verlieren. Eine Nachschusspflicht ist für Derivate ausgeschlossen.
Eine Ausnahme ist natürlich die Terminbörse. Futures und Optionen bieten die Möglichkeit der Long- oder Short-Position und die Nachschusspflicht ist bindend.

Die Höhe der Leerverkäufe prüfen

Um das Risiko eines Short-Squeeze einzuschätzen, kann man sich den Open-Interest an der Terminbörse ansehen oder den Short-Interest bei Aktien. Die Netto-Leerverkaufspositionen geben Hinweise darüber, wie hoch die Short-Positionen in einer Aktie sind. Gute Informationsquellen sind nasdaqtrader.com oder bundesanzeiger.de (Netto-Leerverkaufspositionen).

Trading mit GDL