Aktien-Crash 1987 – Wenn alle Trader an der Börse nur noch verkaufen…

Oktober 18, 2017 8:00 am

Ein Zusammenbruch ohne Ankündigung?

Am 19.Oktober.1987 gab es den zweitstärksten Kurseinbruch in der Historie der Börsengeschichte. Ich vermute einmal, dass die meisten heute aktiven Börsianer den Crash vor 30 Jahren nicht miterlebt haben. Deshalb haben viele auch keine Ahnung, wie das Ereignis entstehen könnte.
Weil der historische Jahrestag sich jetzt wiederholt, könnte es interessant sein, die näheren Umstände aus technischer Sicht zu analysieren. Diejenigen Trader, welche schon damals an der Börse aktiv waren, haben meist eine Art Trauma entwickelt. Egal, ob dabei Verluste entstanden sind, oder sie den Absturz nur als einen Art „Erinnerungsanker“ abgelegt haben. Damit meine ich solche spektakulären Ereignisse, wie zum Beispiel die Ermordung John F. Kennedys, den Anschlag auf das World Trade Center oder auch die Öffnung der deutsche Mauer. So etwas bleibt fest in Erinnerung. Die meisten Leute wissen noch, was sie zu diesem Zeitpunkt gerade getan haben, und wo sie sich aufgehalten haben.
Am 19. Oktober 1987 brach der Dow Jones Industrial um 22,6% ein – und zwar nur an einem einzigen Handelstag. Ein unglaublicher Wert, der statistisch gesehen, so unwahrscheinlich ist, dass es ihn eigentlich gar nicht geben kann. Aber an der Börse ist eben alles möglich.

Vom Börsenbeben zur Wirtschaftsrezession

Mit ein wenig Zynismus könnte man sagen, dass ein Crash doch gar nicht so schlimm ist. Denn eigentlich wechselt damit nur Vermögen von einer Hand in die andere. Theoretisch stimmt das, praktisch ist es jedoch so, dass daraus eine Weltwirtschaftskrise entstehen kann. Ein „Kurs-Erdbeben“ kann eine komplette Weltwirtschaft in den Abgrund reißen. So führte der erste große Crash 1929 von der Rezession zu tiefen Depression der Weltwirtschaft.
Selbst Trader, die zuvor ein glückliches Händchen gehabt haben, und sich massiv mit Short-Position eingedeckt hatten, wussten damals nicht, ob sie tatsächlich den Gewinn auch realisieren konnten. Denn zu einem Trade gehören mindestens zwei Personen. Und wenn der andere Geschäftspartner pleite ist, dann kann er seine offenen Rechnungen nicht mehr begleichen.

Risikominimierung ist ein Job der Profis

Solche Extremereignisse führen in der Regel zu neuen Modellen der Risikovermeidung. Es geht hierbei, um die Versicherung gegen Risiken. Aber der letzte große Kursabsturz ist schon so lange her. Vermutlich hat sich eine menschliche Trägheit und Risikovernachlässigung eingeschlichen.
Normalerweise ist es so, dass professionelle Marktteilnehmer darauf trainiert werden, in riskanten Marktsituationen die Nerven zu behalten. Hierzu gehört auch, dass die menschlichen Neigungen Angst und Gier ein wenig abtrainiert werden. Die Börse ist psychologisch gesehen, ein unangenehmer Ort. Sie hat die Eigenschaft von Zeit zu Zeit, einer möglichst großen Zahl von Marktteilnehmern, einen maximalen emotionalen Schmerz zuzufügen. Daher gibt es auch so viele Börsenverlierer.
Am Montag den 19. Oktober 1987 kam es zur extremen Panik. Diese Panik erreichte nicht nur private Trader, sondern jetzt auch Institutionelle. An diesem Tag war alles anders, denn es gab nur Verkaufsaufträge. Niemand wollte kaufen. Ein emotionales Blutbad. Wer sich nun fragt, wo war das berüchtigte „Smart Money“. Es gab keins.

Hätte man den Crash meistern können? JA

Da man als Marktteilnehmer immer auch selbst Teil des Marktes ist, kann man sich natürlich nie vom psychologischen Druck ganz befreien. Trotzdem glaube ich, dass man mit der Volumen-Analyse den Crash hätte erahnen können. Versuchen wir die prägnanten technischen Muster herauszustellen.
Das ist die Ausgangssituation vor den Crash:
 Ausgangssituation beim S&P500 vor dem Crash 1987
Bild: Ausgangssituation beim S&P500 vor dem Crash 1987
 
Der Markt zeigte zuvor über mehrere Monate einen ausgeprägten Aufwärtstrend. Im oberen Chart ist ein mathematisch präziser Regressionskanal eingezeichnet. Zwischen Mai und Juni 1987 gab es sogar eine kurze Konsolidierungsbewegung, wodurch die untere Linie des Trendkanals berührt wurde (Pfeil 1). Anschließend lief der Markt weiter nach oben, und es setzte eine starke Sommerrallye ein. Sie lief bis zum 25. August und markierte den Gipfel des Jahres.
Die nach dem Gipfel folgende Korrekturbewegung führte zur zweiten unteren Berührung des Trendkanals (Pfeil 2). Diese Abwärtswelle ist der Schlüssel zum Verstehen des Crashs. Im oberen Chart ist diese Abwärtswelle mit einem grauen Kasten umrandet. Die Abwärtswelle ist eine fünfteilige Impulswelle mit erhöhten Volumen. Im Gesamtbild wirkt sie etwas unscheinbar.
Der untere Indikator vereint den RSI und den OBV in einem Bild. Die besagte unscheinbare Abwärtswelle zeigte eine starke bearishe Konvergenz (oranger Schatten im Indikator). Das bedeutet, der Kurs und das Handelsvolumen harmonieren in der Abwärtsbewegung. Diese Welle ist der Zündfunke für die späteren großen Kursverluste.
An der Spitze von Pfeil 2 trifft der Kurs wiederholt auf die untere Linie des Aufwärtstrendkanals. Mustergültig prallt der Kurs nach oben ab. Der Kursverlauf ist mit einem rot-markierten Rechteck gekennzeichnet. Genau diese Kursbewegung enthält eine Falle. Sie ist deshalb tückisch, weil die meisten Marktteilnehmer denken, dass eine neue Aufwärtswelle entsteht. Sie enthält sogar so viel Handelsvolumen, dass neue Jahreshochs daraus entstehen hätten können.
Anschließend fällt der Markt wieder zurück, und berührt erneut die untere Linie des Aufwärtstrends. Diesmal wird jedoch der Aufwärtstrendkanal durchdrungen. Der Kurs fällt auf die Unterstützungslinie bei 310 Punkten zurück. Der Bruch des Trendkanals ist ein starkes Warnzeichen.
An der Unterstützungslinie bei 310 Punkten entsteht ein neuer Brennpunkt.
Der Startpunkt des Crashs im S&P500
Bild: Der Startpunkt des Crashs im S&P500
 
Betrachten Sie ganz rechts am Rand die letzten drei Candlesticks. Sie sind ein weiteres Warnzeichen vor dem Absturz (Punkt (3). Bei der ersten Candlestick wird die Unterstützungslinie leicht durchdrungen. Das Volumen ist dabei relativ gering. Es deutet darauf hin, dass sich wenige Verkäufer an diesem Tag einfanden. Das reicht nicht aus, um die Unterstützung zu brechen. Der nächste Tag startet deshalb mit einer bullishen Aufwärtsbewegung (13.10.1987). Idealerweise lag der Schlusskurs sogar am Hoch des Tages. Daraus entstand eine weitere Bullenfalle. Der 14. Oktober ist der Schlüsseltag für den Crash. Mit einer kompletten bearishen Marktumkehr durchstößt der S&P500-Index seine Unterstützung, und öffnet das Tor für weitere Kursverluste. Jetzt läuten die Warnglocken ganz laut!
Vollständiger Ablauf des Crashs (Tages-Chart des S&P500)
Bild: Vollständiger Ablauf des Crashs (Tages-Chart des S&P500)
 
An den vier starken Abwärtstagen zeigen die Candlesticks und das Handelsvolumen parallel die emotionale Wirkung. Das Handelsvolumen steigt kontinuierlich an, und je größer das Handelsvolumen, desto größer die Abwärts-Candlestick.
Die vier dramatischen roten Candlesticks beginnen am Mittwoch, den 14. Oktober (roter Pfeil). Der Donnerstag und der Freitag sind ebenfalls starke Verkaufstage. Dies führte dazu, dass die Marktteilnehmer über das Wochenende sich intensive Gedanken machten, und dann in Panik verfielen. Gleichzeitig wies die Presse auf die dramatische Situation hin, und forcierte damit den Wunsch, aus dem Markt zu fliehen. Das Ergebnis ist der Montag mit dem eigentlichen Crash (lange rote Candlestick). Der Montag bildete den Tiefpunkt und Ausverkaufstag.
Der Crash mit seinen Unterstützungen
Bild: Der Crash mit seinen Unterstützungen
Der obere Chart zeigt, dass die Abwärtsbewegung insgesamt vier Unterstützungen durchstieß, und erst die fünfte bei 230 Punkten den Boden bildete. Der Angstpegel erreicht seinen Gipfel.

Was können wir aus dem Crash lernen?

Ein Aktiencrash ist kein Ereignis, dass urplötzlich eintritt. Es gibt immer Vorzeichen. Selbst wenn man nur die einfachsten Mittel der Technischen Analyse benutzt, findet man welche.
So wurde zum Beispiel der Trendkanal des Aufwärtstrends gebrochen. Anschließend gab es zwei bullishe „Fake-Bewegungen“, die als Überraschung vermutlich das Desaster verschlimmerten. Der ganze Crash zieht sich über vier Abwärtstage hin. Ein aufmerksamer Trader hätte vermutlich am ersten oder zweiten Abwärtstag die Notbremse gezogen, und so die Verluste begrenzt.
Die größten Verlierer waren vermutlich die langfristigen Investoren. Und zwar alle Börsianer, die grundsätzlich eine langfristige Sichtweise auf den Aktienmarkt haben. Die Buy-and-Hold-Strategie bringt eben nicht immer den Erfolg.
Trading mit GDL