Erhebliche Kosten wegen der Schaltsekunde

Juli 2, 2015 5:00 pm

Die Nacht von Dienstag auf Mittwoch war eine Sekunde länger, um Unregelmäßigkeiten in der Erdrotation auszugleichen. Die 1972 eingeführte Schaltsekunde fiel erstmals seit 1997 wieder in die Handelszeit der US-Börsen. Im Vorfeld wurden deswegen und aufgrund der Erfahrungen bei der letzten Zeitumstellung 2012 bedeutende Schwierigkeiten erwartet.

Keine bedeutenden Probleme

Im Jahr 2012 waren gleich mehrere bekannte Unternehmen durch die Schaltsekunde ins Straucheln geraten. Vor allem Webseiten und Anwendungen waren betroffen und stürzten ab. So musste die australische Fluglinie Quantas rund 50 Flüge verschieben, da ihr Flugbuchungssystem ausgefallen war. Grund dafür war ein Fehler im Linux-Kernel. Betroffen waren außerdem die Datenbank MySQL und mehrere Java-Anwendungen. Sogar Firefox und Thunderbird hatten mit Problemen zu kämpfen. Auch bei der Zeitumstellung 2015 wurden deswegen Schwierigkeiten erwartet.

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Die Schaltsekunde verschlingt Millionen Dollar

Vor allem Unternehmen und Börsenbetreiber fürchteten eine Überforderung der weltweiten Finanz- und Handelssysteme. Zwar hatten die die meisten ihre Systeme entsprechend vorbereitet, allerdings war unklar, wie diese mit denen der Kunden zusammenarbeiten würden. Die US-Finanzplätze entschlossen sich zudem dafür, die Schaltsekunde zu umgehen, indem sie ihre Öffnungszeiten anpassten. So verschob der Chicago Mercantile Exchange mehrere Handelssitzungen nach 20 Uhr New Yorker Zeit. In New York selbst schlossen NYSE, Nasdaq und BATS den nachbörslichen Handel eine halbe Stunde vor dem regulären Ende um 20 Uhr. Japan, Südkorea, Singapur und andere asiatischen Märkte entschlossen sich dagegen dafür, die Handelssitzungen nicht zu verschieben.
Die europäischen Finanzmärkte konnten der Zeitumstellung hingegen gelassen entgegen sehen. Hier wurde die Schaltsekunde am Mittwoch um 01:59:59 hinzugefügt, sodass fast alle wesentlichen Handelsplätze um diese Uhrzeit geschlossen waren. Lediglich die London Metal Exchange (LME) war geöffnet, obwohl auch dort nachts kein regulärer Handel stattfindet. Die LME bietet allerdings einen 24-stündigen Telefonhandel und eine elektronische Plattform an, deren Handel um 2 Uhr MESZ beginnt. Um kein unnötiges Risiko einzugehen, verschob die LME ihr Pre-Opening um eine Viertelstunde.
Tatsächlich hielten sich die Auswirkungen der gefürchteten Zeitsekunde in Grenzen. Zwar verursachte die Zeitumstellung im Internet einen kurzen „Schluckauf“, bei dem mehrere Tausend Netzwerke zusammenbrachen, allerdings hatten sich alle wesentlichen Systeme innerhalb von nur fünf Minuten wieder erholten. Vereinzelt dauert der Zusammenbruch zwar länger, schwerwiegende Probleme gab es jedoch nicht. Betroffen war vor allem Brasilien.
Dennoch kritisiert Greg Wood, Direktor der Deutsche Bank Securities die Schaltsekunde. Die Finanzbranche hätte erhebliches Kapital und Arbeitszeit für die Vorbereitung aufbringen müssen. Demzufolge stehen die Verantwortlichen der Finanzhäuser der Schaltsekunde nicht unbedingt positiv gegenüber und wollen erwirken, dass die Zeitumstellung nicht mehr in die Handelsstunden fällt, um unnötige Kosten zu vermeiden.
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Hintergrund der Schaltsekunde

Schaltsekunden sind deswegen notwendig, weil sich die Erdrotation verlangsamt. Würde dies nicht ausgeglichen werden, würde sich die Ortszeit von der Koordinierten Weltzeit (UTC) immer stärker unterscheiden. Das würde wiederum bedeuten, dass die Weltzeit nicht mehr zum Stand der Sonne passen würde. Das Problem ergibt sich aus den unterschiedlichen Messmethoden. Ursprünglich wurde eine Sekunde als der 86.400ste Teil eines Sonnentages definiert. Aufgrund der unregelmäßigen Erdrotation schwankte die exakte Dauer der Sekunde jedoch. Dieses Problem wurde mit der Einführung der Weltatomzeit umgangen. Nun sorgen beide Messsysteme jedoch dafür, dass sie sich ohne Korrektur auseinanderentwickeln. Eine gelegentliche Schaltsekunde sorgt dafür, dass beide Zeiten angeglichen werden.
Die Geschwindigkeit der Erdrotation ändert sich allerdings nicht konstant, sodass die Schaltsekunden vom Internationalen Dienst für Erdrotation und Referenzsystem festgelegt werden. Derzeit wird rund alle drei Jahre eine zusätzliche Sekunde benötigt, um die Erdrotation auszugleichen. Die Korrektur wurde im Jahr 1972 eingeführt, nachdem sich die koordinierte Weltzeit und Universalzeit um mehr als 10 Sekunden auseinanderentwickelt hatten und so vor allem in der Schifffahrt Schwierigkeiten verursachten. Die Schaltsekunde im Sommer 2015 war die 26. Angleichung.

Abschaffung der Schaltsekunde

Die Schaltsekunde ist nicht unumstritten. Bereits 2001 befürwortete die USA die Abschaffung der Schaltsekunde und hoffen, so Fehlerrisiken und Mehraufwand zu vermeiden. Als Unterstützer gelten auch Frankreich und Internet-Riese Google. Zwar lasse sich eine Zeitumstellung nicht verhindern, allerdings wäre es ausreichend, die Zeiträume zu verlängern. So könnte beispielsweise alle 100 Jahre die Zeit um eine Minute umgestellt werden. Dann allerdings könnte sich das mangelnde Wissen um die Gefahren zu einem Problem entwickeln. Wenn die Uhrzeit so selten umgestellt wird, wissen selbst Experten nicht mehr, wo Schwierigkeiten auftreten könnten und wo Anpassungen notwendig sind. Auch die Astronomie, die auf präzise Zeitinformationen angewiesen ist, könnte durch die Entkoppelung der Zeit von der Erdrotation langfristig Probleme mit ihren erhobenen Daten bekommen. Davon wäre auch die Schifffahrt betroffen.
Als Befürworter der Schaltsekunde gelten Großbritannien, Russland und Kanada. Die Briten haben dabei auch die Wahrung ihres Nationalheiligtum Greenwich-Meridian im Sinn, das ohnehin an Bedeutung verloren hat. Für die Beibehaltung der Schaltsekunde sprechen ansonsten jedoch eher philosophische Argumente: Eine Abschaffung würde bedeuten, dass sich die Menschheit von der Sonnenzeit abkoppeln würde.
Im November findet die Weltfunkkonferenz der Internationen Fernmeldeunion statt und es ist davon auszugehen, dass die Kritiker der Schaltsekunde erneut versuchen werden, die Abschaffung der Zeitumstellung zu erreichen. Ein einstimmiges Votum gilt jedoch als äußerst unwahrscheinlich. Bereits 2012 wurde die Entscheidung vertagt.
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