Handelsspanne Analyse – Alles was sie dazu wissen müssen!

Juni 25, 2015 3:17 pm

[marker color=“#34aa6f“]Handelsspannen: Wyckoff – Eine fast vergessende Legende[/marker]

Handelsspannen sind längere Kurszonen mit einer Ober- und einer Untergrenze. Sie fixieren kurzfristig als auch langfristig eine Aktie in einem engen Kursbereich. Die Bullen und die Bären kämpfen dabei miteinander um die Herrschaft. Da sich der Markt in keinem Trend befindet, ist der Zustand nahe an einem Gleichgewicht.
In der frühen Börsengeschichte gab es einen Experten, der Handelsspannen studierte. Es war Richard D. Wyckoff. Er lebte von 1873 bis 1934 und galt als einer der Ur-Väter der Technischen Analyse. Wyckoff machte deutlich, dass das Preisverhalten einer Aktie zum aufgewendeten Handelsvolumen eine Schlüsselkomponente für den weiteren Kursverlauf ist. Dabei deckte er die Zusammenhänge auf, wie das Kursverhalten mit relativ niedrigem oder hohem Volumen zu Richtungswechseln führt.
Wyckoff startete seine Berufslaufbahn mit 15 Jahren als Laufbursche bei einem Aktien-Broker. Im Alter von 25 gründete er seine eigene Broker-Firma. Besonders in dieser Zeit hatte er einen genauen Einblick in die Verhaltensweisen der großen Spekulanten. Er studierte deren Manipulationen und gewann tiefe Erkenntnisse, wie die “Fußspuren” der großen Spieler auf dem Tape des Kurstickers zu erkennen sind.
Viele seiner Prinzipien sind heute Allgemeinwissen der Technischen Analyse. Er führte die Balken-Charts und Point & Figure-Charts ein. Ebenso war er großer Verfechter hinsichtlich des Setzens von Stopp-Kursen.

Wyckoff definierte drei Marktgesetze für Trader:

1. Gesetz von Angebot und Nachfrage

Ein Aufwärtstrend entsteht, wenn langfristig die Nachfrage größer als das Angebot ist. Im umgedrehten Fall entstehen Abwärtstrends.

2. Gesetz von Ursache und Wirkung

Ursache und Wirkung stehen in einem engen Verhältnis. Um einen Kurseffekt (Wirkung) zu erzielen, benötigt man zunächst eine Ursache. Im Sinne der Wyckoff-Ursachen sind die Phasen der Akkumulation bzw. Distribution von Wertpapieren gemeint.
Als Akkumulation oder Distribution bezeichnet man Handelsphasen in denen Aktien mehr oder weniger unbemerkt eingesammelt oder abgestoßen werden.
Innerhalb dieser Phasen entstehen auch klassische Kursformationen wie zum Beispiel Flaggen, Wimpel, Schulter-Kopf-Schulter-Formationen usw.

3. Gesetz von Aufwand und Ergebnis

Das dritte Marktgesetz bezieht sich auf die direkte Umsetzung der Volumen-Analyse. Man kann es auch als Tapereading in Reinkultur bezeichnen. Das aufgewendete Handelsvolumen (Aufwand) wird hierbei mit der Kursveränderung (Ergebnis) verglichen. Alles dreht sich um die Frage: Wie viel Volumen wurde benötigt, um den Kurs zu bewegen, und wie viel Zeit ist dafür vergangen?

Akkumulation und Distribution

Das Ziel innerhalb der Wyckoff-Methode ist die Vorwegname einer zukünftigen Marktrichtung und die Verbesserung des Chance-Risiko-Verhältnisses. Eine Handelsspanne ist prinzipiell Ausdruck des kurzfristigen Gleichgewichts zwischen Angebot und Nachfrage. Dabei hat jede Handelsspanne bestimmte Merkmale, die sich zur Prognose verwenden lassen. Die Akkumulation bzw. die Distribution dient Kraftsammlung für die zukünftige Bewegung.
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Bild 1: Wyckoff-Schema der Marktphasen
Das obere Schema zeigt den groben Überblick der Wyckoff-Sichtweise. Für die Praxis sind die Phasen der Akkumulation und Distribution interessant.
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Bild 2: Darstellung der wichtigen Kurspunkte innerhalb der Handelsspanne. Mit roten Rechtecken sind die Zeitzonen markiert, in denen der Long-Einstieg das beste Risiko-Chance-Verhältnis bietet. Das Bild zeigt die Phase der Akkumulation.
 
Die Nummerierung ist nach der Identifikationsreihenfolge gewählt. Damit Punkt (2) definiert werden kann, muss zuvor Punkt (1) bestimmt sein. Deshalb liegt Punkt (2) vor dem Punkt (1).

(1) Abverkauf

Der Ausgangspunkt (1) kennzeichnet einen Abverkauf. Dabei gibt es zwei wichtige Merkmale, die niemals fehlen. Die Volatilität und das Handelsvolumen sind bei der Entstehung des Punkt (1) überdurchschnittlich hoch. Idealerweise liegt der Punkt (1) direkt in einer Unterstützungszone. Die Berührung der Unterstützungszone ist ein zusätzlicher Hinweis, dass ein Punkt (1) gefunden wurde. Weitere kleine Hinweise entstehen bei Erreichen von Fibonacci-Kurszielen oder bei runden Kursmarken.

(2) Die Vorunterstützung

Die Vorunterstützung ergibt sich erst, wenn Punkt (1) definiert wurde. Der Punkt (2) ist das relative Tief vor dem Abverkaufspunkt (1). Der Punkt (2) wird zu einem späteren Zeitpunkt wichtig, denn er bildet bei einer späteren Aufwärtsbewegung oft einen kleinen Widerstand. Nicht selten wird die Handelsspanne erst überwunden, wenn der Punkt (2) vom Kurs durchbrochen wird.

(3) Automatische Gegenbewegung

Die automatische Gegenbewegung endet am Punkt (3). Gewöhnlich ist es eine schnelle Kursrallye, die aber noch nicht den Durchbruch bzw. eine wahre Kursumkehr verkörpert. Der Punkt (3) endet meist kurz vor oder nach dem Kurspunkt (2). Anschließend fällt der Kurs wieder zurück. Ein Hinweis für die automatische Gegenbewegung ist das verminderte Handelsvolumen je höher der Kurs steigt. Trader bezeichnen die Bewegung oft als „Short-Squeeze“, weil sie durch das Schließen von Short-Positionen entsteht.

(4) Neuer Unterstützungstest

Die Kursbewegung zu Punkt (4) muss nicht zwingend zur Unterstützung führen. Ausgehend von Punkt (3) gibt es sehr variable Korrekturmuster. Es ist praktisch alles denkbar. Der Punkt (4) ist erreicht, wenn die Volatilität mindestens einmal unterdurchschnittlich wird. Der Markt benötigt die Ruhe, um sich neu zu positionieren. Weder die Bären noch die Bullen regieren in der Situation. Nach der Ruhe kommt dann ein neuer Versuch, die Situation nach oben oder unten aufzulösen.

(5) Neuer Widerstandstest

Oft entsteht eine kurzfristige Hektik am Punkt (5). In den seltensten Fällen reicht die Unruhe aus, um die Handelsspanne zu überwinden. In den meisten Fällen prallt der Kurs am Widerstand ab und verliert sich im Niemandsland. Nach Punkt (5) muss eine weitere Kursruhe einsetzen. Auch das ist erkennbar an der geringen Volatilität.
Eine längere Handelsspanne mit Akkumulation oder Distribution besitzt immer mindestens zwei Zeitpunkte der schwachen Volatilität. Erst wenn die zweite Ruhe überstanden ist, gibt es eine Chance die Handelsspanne zu verlassen.
Nach der zweiten Ruhe entsteht eine Bewegung, die vom „Smart Money“ bestimmt wird. Die institutionellen Marktteilnehmer versuchen sich zu positionieren, ohne einen Ausbruch aus der Trading Range zu verursachen. Es entsteht eine Art „Kursfrühling“, mit leicht ansteigender Bewegung. Während zuvor die Marktbewegungen in erster Linie durch kurzfristig-denkende Akteure verursacht worden sind, greifen nun die Langfristigen in den Markt ein.

(6) Bestätigung

Der Punkt (6) ist kein echtes Merkmal der Handelspanne. Vielmehr dient der Punkt zur Bestätigung, dass die Handelspanne verlassen wurde, und dass der Markt eine echte Umkehrbewegung erzeugen konnte. Sollte der Kurs von Punkt (6) wieder zurückfallen, dann muss der ehemalige Widerstand der Handelspanne nun eine umgekehrte Funktion übernehmen. Mit anderen Worten, er muss zur Unterstützung werden.
Akkumul-QSC
Bild 3: Praktisches Beispiel mit der Aktie QSC. In diesem Wochen-Chart verläuft die Handelsspanne über viele Monate. Im Chart sind die wichtigen Ruhephasen der Aktie grau markiert.

An diesen Punkten können Sie in den Trade einsteigen

Das Analyseschema mit den 6 Identifikationspunkten dient dem Ziel, das Timing für einen Einstieg zu verbessern. Im oberen Bild 2 sind zwei Einstiegszeitzonen rot markiert. Der zukünftige Kursverlauf kann niemals genau vorhergesehen werden. Deshalb muss man seine Einstiegspunkte mehr oder weniger diskretionär treffen. Der unteren Unterstützungszone fällt beim Trading eine wichtige Rolle zu. Im Idealfall sollte Punkt (4) nicht mehr unterboten werden. Fällt der Kurs unter Punkt (4), kann es zu einer überraschend schnellen Abwärtsbewegung kommen. Ein risikobewusster Trader wird deshalb immer seine Vorsichtsmaßnahmen treffen, und einen Stoppkurs setzen.

Bleiben Sie praxisnah

Das Analyseschema mit den sechs unterschiedlichen Kurspunkten, darf nicht zu streng angewendet werden. Die verwendeten Zahlen entsprechen keiner strengen Durchnummerierung. Vielmehr sind sie Identifikationspunkte während der Analyse. Die Punkte (3), (4) und (5) können häufiger in einer Handelspanne auftreten. Nicht immer muss der jeweilige Punkt auf einer Unterstützung bzw. auf einem Widerstand liegen. Benutzen Sie die Punkte als Orientierung in der „Kurslandschaft“. So wissen Sie stets, wie weit die Entwicklung der Handelspanne fortgeschritten ist.