Griechenland nach dem Referendum

Juli 6, 2015 5:00 pm

Das Nein-Lager hat sich durchgesetzt: 61 Prozent der Griechen stimmte gegen die Spar- und Reformvorschläge der internationalen Geldgeber. Damit folgte das griechische Volk dem Kurs von Regierungschef Tsipras. Zuvor hatten europäische Spitzenpolitiker sowie die griechische Opposition für eine Zustimmung zu den Plänen der EU, des IWF und der EZB geworben.
Steht der Grexit nun kurz bevor? Die griechische Regierung will sofort wieder Verhandlungen mit den Gläubigern aufnehmen. Ein Regierungssprecher tönte am Sonntagabend bereits, dass innerhalb von 48 Stunden eine Einigung gefunden wird. Doch danach sieht es derzeit nicht aus. Jean-Claude Junker beriet sich noch gestern Abend mit den europäischen Staats- und Regierungschefs und wird dies auch heute wieder tun. Am Abend treffen sich dann Angela Merkel und Frankreichs Präsident Hollande zu Gesprächen über Griechenland.

Griechenlands Ministerpräsident Alexis Tsipras

„Alexis Tsipras Syriza“ by FrangiscoDer – Own work.

In größerer Runde wird man sich dann am Dienstag treffen. EU-Ratspräsident Donald Tusk lud die europäischen Staats- und Regierungschefs für Dienstag zu einem Sondergipfel nach Brüssel ein. Am gleichen Tag wird es auch ein Treffen der Finanzminister geben.
Derweil forderte Griechenlands Premierminister Alexis Tsipras in einer Fernsehansprache nach dem Referendum weitere Zugeständnisse der Gläubiger wie eine Umstrukturierung der Schulden und Investitionen. Er betonte zudem erneut, dass das ihm das Votum der Griechen eine größere Macht in den Verhandlungen verleihen werde.
Möglicherweise verleiht jedoch der Rücktritt von Finanzminister Varoufakis in der Nacht zu Montag den Griechen eine bessere Verhandlungsbasis. Nach zahlreichen kleineren und größeren Auseinandersetzungen in der Vergangenheit ist er bei den europäischen Verhandlungspartnern nicht mehr der beliebteste Gesprächspartner. Beispielsweise bezeichnete er kurz vor dem Referendum die Forderungen aus Brüssel als „Terrorismus“.
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Symbolik des Referendums

Bei dem gestrigen Referendum konnten die Griechen ihre Zustimmung oder Ablehnung zu den Reformvorschlägen der Gläubiger äußern. Der Vorschlag, um den es ging, ist jedoch längst hinfällig, da Tsipras ihn bereits vor über einer Woche abgelehnt hat. Zudem waren die Reformvorschläge Teil des zweiten Hilfspakets, dass am vergangenen Dienstag ausgelaufen ist. Darüber hinaus war der Text auf dem Stimmzettel wohl für viele Griechen nicht verständlich. Zum einen waren die Namen der beiden Reformpakete auf Englisch abgedruckt, zum anderen erfordert es großes wirtschaftliches Hintergrundwissen, um die Bedeutung zu verstehen.
Das Ziel der Syriza-Führung war es, ihre Machtposition gegenüber den Gläubigern zu stärken. Ob ihnen dies gelungen ist, darf durchaus bezweifelt werden. Syriza fordert weitere Hilfskredite, zumindest einen teilweisen Schuldenerlass und weniger Spar- und Reformauflagen. Die griechische Regierung betonte immer wieder, dass ein Nein zu den Reformauflagen kein Nein zum Euro sei. Ganz im Gegenteil – man wolle im Euro bleiben.
Die Spitzen der EU versuchten dennoch, das Referendum als Abstimmung über einen Verbleib Griechenland in der Eurozone zu sehen. Als „Belohnung“ für ein Ja stellten sie in den vergangenen Tagen den Griechen zahlreiche Zugeständnisse in Aussicht. Zudem werde man sich Verhandlungen über ein drittes Hilfspaket nicht verschließen.

„Sehenden Auges gegen die Wand“

Sogar bei der sonst so besonnenen Kanzlerin wurde in der vergangenen Woche der Frust über die Griechenland-Krise deutlich. Am vergangenen Montag wollte die CDU eigentlich ihren 70. Geburtstag feiern. Doch aufgrund der aktuellen Ereignisse kam man um das Thema Griechenland nicht herum. Bundeskanzlerin Angela Merkel stellte sich vor dem Festakt zum Parteijubiläum ihren obersten Funktionären zum Gespräch.
Dort wurde laut einigen Teilnehmern der Sitzung deutlich, wie sehr auch Angela Merkel enttäuscht und genervt von der griechischen Regierung ist. Ein Austritt der Griechen aus dem Euro wäre ein herber Rückschritt für Europa. Und daran muss sich auch die Kanzlerin messen lassen, die in der vergangenen Woche ihren Satz „Scheitert der Euro, scheitert Europa“ wiederholte.
Auch Angela Merkel wirft der griechischen Führung vor, dass sie sich nicht an die Grundsätze Europas halte. In der internen CDU-Sitzung wurde kurz der Frust Angela Merkels deutlich. Wie mehrere Teilnehmer gegenüber dem Spiegel bestätigten, fiel dort der Satz, Alexis Tsipras lasse sein Land „sehenden Auges gegen die Wand fahren“. Zudem bezeichnete sie die derzeitige Politik in Athen als „hart und ideologisch“.
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Viele offene Fragen

Auch nach dem Referendum ist vieles unklar. Internationale Ökonomen geben sehr unterschiedliche Antworten auf die Frage nach einem Grexit. So vertreten einige Experten die Ansicht, dass eine Rückkehr zu einer eigenen Währung die bessere Option sei, damit sich das Land wirtschaftlich erholen kann. So sagt beispielsweise Kai Konrad, der Direktor am Max-Planck-Institut für Steuerrecht und Öffentliche Finanzen, dass es immer wieder zu Spannungen kommen wird, solange Griechenland Mitglied der Eurozone ist.
Andere Experten sagen, dass Griechenland auch nach einem Austritt aus dem Euro nicht mehr über die notwendigen Rahmenbedingungen verfügt, um wirtschaftlich wieder auf eine gesunde Basis zu kommen. Ein Grexit könnte das Land vor eine Zerreißprobe und noch größere Herausforderungen stellen. Eine noch stärker schrumpfende Wirtschaft, eine Inflation und jahrelanges Chaos könnten die Folge sein.
Und auch die Folgen für die restliche Eurozone werden kontrovers diskutiert. Auch wenn die Gefahr eines Domino-Effekts, also unmittelbare Auswirkungen auf Länder wie Spanien oder Italien, derzeit nicht mehr so hoch scheint wie noch vor fünf Jahren zu Beginn der Krise, würde ein Austritt Griechenland dennoch die Währungsunion schwächen und sie anfälliger für Krisen machen. Zudem können Investoren in Zukunft schnelle abspringen, wenn ein Land in eine Krise gerät.
Des Weiteren warnen Ökonomen vor einer humanitären Katastrophe in Griechenland. Auch EU-Parlamentspräsident Martin Schulz spricht bereits von einem humanitären Hilfsprogramm für Griechenland. Dies hätte jedoch auch Folgen für das restliche Europa, da in diesem Fall noch höhere Belastungen auf die Steuerzahler zukommen würden.