Griechenlands Krise und deutsche Kriegsschulden

März 17, 2015 5:00 pm

Muss Deutschland doch Reparationszahlungen an Griechenland leisten, wie es griechische Offizielle seit einer Weile fordern? Die Bundesregierung lehnt derartige Zahlungen strikt ab. Derweil wird der Ton zwischen Berlin und Athen rauer. Dabei ist gerade jetzt Geschlossenheit innerhalb der EU besonders wichtig. Und die Beziehungen zu Griechenland sollten stabil bleiben – trotz der Äußerungen des Wirtschaftsministers Varoufakis gegenüber Finanzminister Wolfgang Schäuble und seinem Video mit ausgestrecktem Mittelfinger, welches am Sonntagabend in Günther Jauchs Talkshow zu sehen war.

Frage nach Reparationszahlungen ist abgeschlossen

Die Frage nach Reperationszahlungen ist noch nicht abschließend geklärt ,

Die Frage nach Reperationszahlungen ist noch nicht abschließend geklärt , Quelle:www.pixabay.com

Die Frage nach Reparationszahlungen ist für die Bundesregierung aber endgültig abgeschlossen. Deutschland betont immer wieder seine historische Schuld und seine Verantwortung. Während dem Zweiten Weltkrieg verübten die Deutschen auch in Griechenland schreckliche Verbrechen, die bis heute nicht vollständig aufgearbeitet sind. Es gibt daher einen Zukunftsfonds, das deutsch-griechische Jugendwerk und Unterstützung für jüdische Gemeinden in Griechenland. Deutschland sieht sich durchaus auch 70 Jahre nach Kriegsende in der Pflicht, Griechenland zu unterstützen. Die Frage nach Reparationszahlungen ist aber politisch und juristisch beantwortet.
Griechenland sieht das etwas anders und hofft, sich seiner derzeitigen Krise durch die Rückzahlung deutscher Kriegsschulden Freiraum zu verschaffen. Aus Sicht der Griechen drückt sich Deutschland um eine Rückzahlung seiner Schulden. Bis zur deutsch-deutschen Wiedervereinigung 1990 stundete Deutschland allen Kriegsgegnern die Schulden aus dem Zweiten Weltkrieg. Nach der Wiedervereinigung sah Deutschland durch den 2+4-Vertrag mit den Alliierten alle seine Kriegsschulden als abgegolten an. Mit Griechenland gab es keine weiteren Verhandlungen über Kriegsschulden. Forderungen der Griechen nach Gesprächen lehnte man immer wieder ab.
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Geteilte Meinungen über Rückzahlung

Man kann durchaus geteilter Meinung darüber sein, ob Griechenland nicht doch ein Anrecht auf die Rückzahlung von Kriegsschulden hat. Denn so klar ist die juristische Situation nicht. Völkerrechtler sprechen gar davon, dass die griechische Forderung nach deutschem Recht zulässig ist.
1942 hatte Nazi-Deutschland ganz Griechenland besetzt. Dies löste bei den Griechen ein Trauma aus, dass sie bis heute nicht völlig überwunden haben. Die Besatzung Griechenlands war die blutigste der nicht-slawischen Ländern. Mehr als 30.000 griechische Zivilisten wurden getötet, dazu kamen mehr als 100.000 Menschen, die im ersten Besatzungswinter vor Hunger starben. Die Nazis zerstörten die gesamte Infrastruktur und die Wirtschaft. Zudem plünderten sie alles, was für sie interessant war. Olivenöl und andere Lebensmitteln wurden exportiert. Außerdem – und darum geht es in der aktuellen Diskussion – pressten die Nazis Griechenland Kriegskredite in Millionenhöhe ab. Die griechische Nationalbank musste damals jeden Monat eine sogenannte Zwangsanleihe aufbringen.
Übrigens haben die Nazis noch vor Kriegsende mit einer Rückzahlung der Zwangsanleihe begonnen, wie Historiker mittlerweile wissen. Nazi-Deutschland berechnete damals die Restschuld auf 476 Millionen Reichsmark. Umgerechnet wären dies heute etwa 10 Milliarden Euro, die die Griechen bereits seit Jahrzehnten zurückfordern.

Jahrzehntelange Diskussion

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Die Diskussion um Kriegsschulden dauert schon länger an , Quelle:www.pixabay.com

Und gerade jetzt kocht die Frage nach Reparationen erneut hoch. Griechenland fühlt sich von Deutschland unter Druck gesetzt. Sie erhalten Forderungen und Schuldzuweisungen aus demselben Land, dass sie vor 70 Jahren blutig besetzt hat und seine Kriegsschulden nicht zurück gezahlt hat. Durch alle Parteien hindurch ist die Forderung populär. Premierminister Alexis Tsipras sagt: „Es ist die historische Pflicht der neuen griechischen Regierung, den Besatzungskredit und Reparationen einzufordern.“.
Dennoch bleibt die Bundesregierung bei ihrer Ansicht, die Frage nach Reparationszahlungen sei abgeschlossen. Diese Haltung ist jedoch umstritten, da Griechenland nie auf seine Ansprüche verzichtet hat. 1952 wurde auf der Londoner Schuldenkonferenz beschlossen, dass Reparationen bis zur Wiedervereinigung und einem gesamtdeutschen Friedensvertrag zurückgestellt werden. In den 1960er Jahren zahlte Westdeutschland Entschädigungen an NS-Verfolgte in Griechenland. Griechenland wies Deutschland aber immer wieder darauf hin, die Zwangsanleihe nicht zu vergessen.
Zunächst wurde seitens der Bundesrepublik immer wieder darauf hingewiesen, da erst die Wiedervereinigung angestrebt werden muss, da ja das gesamte Deutschland Schuld am Krieg gewesen sein. Aber auch nach dem Fall der Mauer wich Deutschland der Frage nach Reparationen aus. Zudem schrieb der damalige Außenminister Hans-Dietrich Genscher einen geheimen Brief an alle Botschaften, wie man nun Reparationsansprüche umgehen sollte.
Der Inhalt war: Kommt es nicht zu Verhandlungen über einen formellen Friedensvertrag, gibt es keine Grundlage für Reparationszahlungen. So kam es dazu, dass im 2+4-Vertag kein Wort über „Frieden“ verloren wurde – und ohne Friedensvertrag keine Entschädigungsansprüche. Griechenland war verstimmt und forderte beispielsweise 1995 in einer diplomatischen Note erneut Verhandlungen über die deutschen Kriegsschulden.

Wie geht es weiter?

Die Beziehung zwischen Deutschland und Griechenland bleibt angespannt. Und auch die finanzielle Lage in Griechenland. Ende März könnte das Land zahlungsunfähig sein. Daher forderte Premierminister Tsipras die EZB auf, den Rahmen für kurzfristige Staatsanleihen um zwei bis drei Milliarden Euro zu erhöhen.
Derweil schlagen Martin Schulz, der Präsident des Europäischen Parlaments, und Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker vor, dass Tsipras nächste Woche einen Brief an die Eurogruppe schreiben soll, in dem er sich zu Privatisierungen, dem Eintreiben von Steuern und dem Aufbau einen Katasterwesens bekenne. Zudem erwartet der IWF in der kommenden Woche die Rückzahlung von zwei Kredittranchen aus Athen.